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Der dritte Bergsturz ereignete sich um 250 n. Chr. Die Schuttzunge drängte den Inn noch weiter Richtung Brixlegg und staute ihn ca. 5 km zurück. Orthofoto des Landes Tirol, Grafik nach Patzelt.
2006
Unbekannt

Der dritte Pletzachbergsturz
ca. 250

1. Lage

»Der dritte Pletzachbergsturz ist der letzte große Bergsturz bei Kramsach. Sein Anrissgebiet befindet sich süd-westlich der beiden ersten Stürze und ist auch heute noch gut erkennbar. Zerklüftete Wände und bedrohlich wirkende Zinnen durchsetzen das immer noch potentielle Anrissgebiet und kleinere Steinschlagereignisse deuten auf noch laufende Sturzaktivitäten hin.« (Neuhauser S. 12–13)

2. Datierung

Der dritte Pletzachbergsturz »ist am besten von allen erforscht und wir wissen sehr gut über seinen zeitlichen Rahmen und über seine Ausbreitungsfläche Bescheid. Auf Grund der Arbeiten für die Inntaltrasse der neuen Linie der ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) wurden in der Umgebung des Bergsturzes viele Probebohrungen für Sedimentproben und Quellsicherungen durchgeführt.« (ebd.)

Durch »Radiocarbon-Datierung wurden Altersdaten gewonnen, die zwar etwas voneinander abweichen, aber klar auf die Römerzeit (ca. 230 n. Chr.) hinweisen. Dies wird von Daten aus den Sedimenten, die durch den Aufstau des Inns in Münster entstanden sind, bestätigt.« (Neuhauser, S. 14)

3. Auswirkungen

Verlauf des Inns
Im Laufe der Jahrtausende hat der Inn mehrmals sein Flussbett geändert, sich in Flussarme geteilt, usw.: »Noch im beginnenden 17. Jahrhundert teilte sich der Inn bei Matzen in mehrere Arme« (32), und Schloss Lichtwehr z. B. war ursprünglich von Wasser umgeben (erbaut um 1150): es stand auf einer Insel des Inns und gehört zu Münster. (Josef Weingartner: »Tiroler Burgen«, 1971)

Da der Inn bereits vor dem dritten Bergsturz eine hohe Terrasse im Inntal (Hagauer Wald) aufsedimentiert hatte und das Bergsturzmaterial auf dem Schwemmkegel aufgesetzt ist, ist anzunehmen, dass der Inn vor dem Bergsturz »nicht wie heute am Südrand der Talsohle verlaufen ist, sondern durch den Schwemmfächer des Alpbaches in einem großen Bogen nach Norden gedrängt wurde.

Der älteste für uns greifbare Flussverlauf [noch vor (!) dem 2. Pletzachbergsturz] könnte somit direkt unterhalb der heutigen Pfarrkirche von Münster den Münsterer Schwemmkegel angeschnitten haben und erst vom zweiten Pletzachbergsturz gezwungen worden sein, einen Bogen nach Süden einzuschlagen. Dieser genannte Bogen ist uns heute noch in Form des unter Naturschutz stehenden Feuchtbiotops »Lohr oder Laa« erhalten geblieben.«

»Durch den dritten Bergsturz wurde der Inn zunächst bis in den Mündungsbereich des Ziller zurück gestaut. Zwar muss dies nicht bedeuten, dass dadurch ein großer See entstanden ist, weil sich das Bergsturzmaterial ja relativ flach über das Inntal ausgebreitet hatte, aber zumindest große Sumpfflächen sind entstanden. Außerdem kam es dadurch zu einem Aufstauen des Zillerflusses, der dadurch später ein dreiarmiges Flussdelta schuf und zwischen Straß und Schlitters ein großes Moor verursachte.«

»Südlich des Flusslaufes [also auf Brixlegger Seite] wurde bisher kein Bergsturzmaterial entdeckt.« (S. 24)

Verlauf der Römerstraße?
Der Verlauf der Römerstraße im Unterinntal ist nicht bekannt und wird je nach Autor verschieden angenommen (etwa Matthias Mayer: »Die Römerstraße durch das Unterinntal«, 1927). Sollte sie aber im Raum Kramsach auf der orographisch linken Seite verlaufen sein – wie etwa Mayer annimmt – könnte der Bergsturz Anlass gewesen sein, sie auf die rechte Seite (über Rattenberg und Brixlegg) zu verlegen.

Derartige Überlegungen sind hochspekulativ, da wir das konkrete landschaftliche Szenario nicht kennen: Die Schuttzunge des Bergsturzes allein sollte kein allzugroßes Hindernis gewesen sein (wenn man etwa an die Straßenführung über den Piller Sattel denkt). Aber erstreckte sich zwischen Münster und der Schuttzunge eine Sumpflandschaft? Und auf welche Hindernisse stieß eine eventuelle Wegführung über das Zillertaldelta? usw.

Kulturraum?
Neuhauser spekuliert mit einer kulturhistorischen Bedeutung des Bergsturzes und macht darauf aufmerksam, dass Siedlungsfunde ab ca. 230 n. Chr. abreissen und erst deutlich später wieder einsetzen: »Bemerkenswert bleibt allerdings die Tatsache, dass „alle bisher vorliegenden Siedlungsbefunde [in der Zeitspanne des Pletzachbergsturzes III (ca. 230 n. Chr.)] abbrechen und nicht fortgesetzt wurden“« (S. 30–31)

Nach Patzelt bildete der Bergsturz im »Inntal ein Verkehrshindernis, an dem im Mittelalter die Diözesangrenzen zwischen Brixen, Freising und Salzburg und die Landesgrenze zwischen Tirol und Bayern festgelegt wurden. Das hatte Auswirkungen, die von der historischen und traditionellen bäuerlichen Baukultur bis hin zu Unterschieden in der Umgangssprache reichen.« (Gemeindezeitung 2013-02, S. 5)


Autor:
Andreas Oberhauser
Kategorien:
Quellen:
Georg Neuhauser: Der Pletzachbergsturz bei Kramsach, Diplomarbeit, 2006
Verweise:
Gemeindezeitung 2013-02

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