Durch bisher nicht publizierte Arbeiten von Univ. Prof. Dr. Gernot Patzelt ist es möglich geworden, mindestens drei verschiedene Bergstürze (und nicht wie bisher oft angenommen nur einen) in großen zeitlichen Abständen zu identifizieren. Georg Neuhauser greift in seiner Diplomarbeit diese Erkenntnisse auf – hier soll dieser Arbeit gefolgt werden.
1. Datierung
Eine genaue Datierung des Bergsturzes ist nicht möglich, da diesbezügliches organisches Material fehlt.
Aufgrund einer pollenanalytischen Untersuchung mit anschließener Sedimentanalyse im Frauensee ist aber eine ungefähre Schätzung möglich:
»Auf einem organischen Horizont, der mit ca. 12.500 vor Chr. datiert werden konnte, stieß man auf eine ca. 10 cm dicke, feinkörnige Schicht aus Lias-Kalken, die in unmittelbarer Umgebung des Frauensees nicht vorkommen. Lias-Kalke befinden sich jedoch am Pletzachkogel, dem Absturzgebiet des Bergsturzes, was den Schluss zulässt, dass sich beim Bergsturz durch die enorme Staubentwicklung auch noch einige hundert Meter von der Front des Abbruchmaterials entfernt eine Schicht von feinen Lias-Kalken ablagern konnte. Das Alter des organischen Horizontes direkt unter der Staubschicht des Bergsturzes stellt somit auch das Maximalalter des ersten Ereignisses dar. (Neuhauser S. 18)«
2. Lage
Neuhauser: »Das heute noch vorhandene Ablagerungsmaterial des ersten greifbaren Bergsturzes erstreckt sich ca. 500 m vom Bergfuß in östliche Richtung bis in die Sohle des vordersten Brandenbergertales und noch einige Höhenmeter den Gegenhang hinauf (Prallhang) bis knapp vor die Feldflur des »Pulverer Bauern«.
Im Talbereich hat sich die Brandenberger Ache bereits wieder tief in das Bergsturzmaterial eingeschnitten und nur ein paar große Lias-Kalkblöcke, die bei der Tiefenerosion der Ache nachrutschen, beweisen die einstige vollkommene Verschüttung der Talmündung.« (S. 10)
3. Definition von Bergsturz
»Bergstürze sind Fels- und Schuttbewegungen, die mit hoher Geschwindigkeit (in Sekunden oder wenigen Minuten) aus Bergflanken niedergehen und im Ablagerungsgebiet ein Volumen über 1 Mio. m3 besitzen oder eine Fläche von über 0,1 km2 bedecken« (Abele, Gerhard, Bergstürze in den Alpen, S. 4., zit. nach Neuhauser).
4. Ursachen
Über die Ursachen kann nur spekuliert werden, wenngleich anzunehmen ist, dass die eiszeitliche Vergletscherung den Bergsturz vorbereitet hat. Das Zusammentreffen von Zillertalgletscher und Inntalgletscher in diesem Bereich und die sich daraus ergebenden Druckzonen auf das darunterliegende Gestein könnten durchaus eine Rolle bei dessen Labilisierung gespielt haben.
Neuhauser erwähnt auch, dass »im Kalk und Dolomit im Vergleich zu allen anderen Gesteinsgruppen die meisten und größten Bergstürze niedergehen. Grund dafür ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Tatsache, dass Kalk und Dolomit in der Lage sind, über längere Zeit hinweg große Spannungen bei Übersteilungen der Gehänge auszuhalten, ohne in kleinen Massenbewegungen den Spannungen nachzugeben. Erst wenn die Übersteilung einen gewissen Grad überschreitet, ist das Gestein gezwungen nachzugeben und fährt in einer umso größeren Massenbewegung vom Berg ab.« (S. 7)
5. Allgemeines
Laut Patzelt (Vortrag im Gemeindesaal Kramsach, 18. April 2013) lag die Inntalsohle in dieser Zeit ca. 23 m tiefer als heute, wie Rentierknochen und andere Funde annehmen lassen.