Der Gemeinderatsbeschluss
Am 7. März 1933 wird Adolf Hitler mittels Mehrheitsentscheid des Gemeinderats zum Ehrenbürger Kramsachs. Von 19 Gemeinderäten waren 3 abwesend, 5 enthielten sich der Stimme und 9 waren dafür. Hitler wird damit zum »um die Gemeinde Kramsach sehr verdienten Mann«.
Die Ehrenurkunde wurde von Alois Schwärzler gestaltet (Holzschnitt), die Übersendung an Adolf Hitler unterblieb laut Urbanner vorerst – aufgrund der politischen Ereignisse:
»Schon im Mai kam die 1000-Mark-Sperre, begründet damit, die deutschen Touristen hätten im Hinblick auf die von der österreichischen Regierung praktizierten antideutschen Maßnahmen um Leib und Leben zu fürchten.
Einen Monat später erfolgte das Verbot der NSDAP, selbstverständlich mit der Aberkennung aller NS-Mandate. Auch Hitler verlor seine Ehrenbürgerwürde«.
Erst 1938, nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich, wurde die Urkunde laut Urbanner überbracht, mit folgendem ergänzenden Text:
»Unserem Führer und Befreier dieses kleine Zeichen unbegrenzten Vertrauens und der Liebe überreichen zu dürfen, wurde uns von den Machthabern Österreichs verboten. Jetzt aber bittet die Gemeinde dasselbe als Zeichen des Dankes und der Huldigung entgegennehmen zu wollen. Kramsach, Ostermond im Jahre der Befreiung. (…)
Die Reichskanzlei bedankte sich mit einem einzigen Satz auf amtlichem Papier für dieses Ehrenblatt. Leider ist es nicht (mehr) vorhanden.« (S. 32-33).
30. März 2005: Der Gemeinderat distanziert sich von der Ehrenbürgerschaft.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird in der Gemeinderatssitzung vom 30.3.2005 einstimmig beschlossen:
»Auf Antrag des Bürgermeisters wird einstimmig beschlossen, dass man sich vom seinerzeitigen Beschluss des Gemeinderates, in dem Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft verliehen wurde, distanziert.« (Protokoll der Gemeinderatssitzung).
Nachwehen
Das Thema »Ehrenbürgerschaft Hitlers« in österreichischen Gemeinden dürfte uns noch eine Zeit lang erhalten bleiben: Im Jahr 2011 wurde Altbürgermeister Manfred Stöger am Rande einer Bürgermeistertagung in Kufstein von der Presse zum Kramsacher Vorgehen befragt und der damalige BZÖ-Tirol-Chef Gerhard Huber forderte Tirols Gemeinden dazu auf, »ihre Ehrenbürgerschaften der letzten Jahrzehnte zu durchleuchten und jenen Personen, die im Verdacht stehen, für ein Regime gegen die Menschlichkeit gehandelt zu haben, ebenfalls einen Aberkennungsbeschluss zu fassen. „Es geht nicht darum, ob die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod endet, sondern es geht wie gesagt darum, ein Zeichen des Respekts und der Versöhnung gegenüber den unschuldigen Opfern des Dritten Reiches zu setzen.“« (TT 26. Mai 2011)
Laut Wikipedia, in der es einen eigenen Artikel »Adolf Hitler als Ehrenbürger« gibt, wurde Adolf Hitler schätzungsweise in 4.000 Gemeinden in Deutschland und Österreich zum Ehrenbürger ernannt. Dort ist auch nachzulesen, wie die Gemeinden mit dieser Ehrenbürgerschaft umgingen.
Die Gemeindechroniken
In zahlreichen Gemeinden erschienen in den letzten Jahrzehnten Chronik-Bücher, in denen auch die Ehrenbürger der jeweiligen Gemeinde aufgelistet werden. In der Kramsacher Chronik von Hanns Bachmann (1972) und im Buch vom Hermann Urbanner (1985) fehlt der Eintrag »Adolf Hitler«. Genau genommen sind diese Listen also unvollständig. Die Frage stellt sich, ob in einer aktuellen Listung nun Adolf Hitler aufzunehmen ist oder nicht: Wie ist »distanziert« semantisch zu interpretieren?